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Das Gift der bewegten Bilder

Die antisemitischen Propagandafilme Jud Süß und Der Ewige Jude

von Stefan Mannes


Als ein "Gewehr, das zwanzigmal in der Sekunde schießt" hat der jüdische Schriftsteller Heinrich Eduard Jacob am Ende der zwanziger Jahre den Propagandafilm in seinem Roman "Blut und Zelluloid" bezeichnet. Wenn diese Analogie je eine Berechtigung erfahren hat, dann in den antisemitischen Propagandafilmen des Dritten Reiches.

Visionen aus finsteren Zeiten? Keineswegs. Jud Süß und Der Ewige Jude, die beiden Meisterwerke antisemitischer Propaganda der Nazis, verbreiten auch heute noch Unheil. Als beliebte Filme haben sie in den arabischen Ländern die Zeit nach dem Krieg überdauert und genießen heute in der rechtsradikalen Szene den Status von Kultfilmen.

Doch was macht sie so gefährlich? Jud Süß und Der Ewige Jude kamen beide gegen Ende des Jahres 1940 kurz hintereinander in die deutschen Kinos. Sie bildeten den perfiden Höhepunkt der antisemitischen Propaganda zu einem Zeitpunkt, zu dem überall in Europa die Deportationen jüdischer Menschen begannen und die Nationalsozialisten sich anschickten, Europa zu unterwerfen.

Betrachtet man die Entstehung der Filme, so kommt Erstaunliches zutage. Hier haben nicht zwei verblendete Regisseure, Veit Harlan und Fritz Hippler, zwei haßerfüllte Machwerke geschaffen, sondern Goebbels und Hitler beeinflußten die Filme bis in kleinste Details. In den Filmen zeigt sich deutlich, welche furchtbare Pläne sich in den Köpfen der nationalsozialistischen Führer entwickelten. Besonders Der Ewige Jude verkündete offen, was bald furchtbare Realität werden sollte. Hitler prophezeite darin in einer Rede die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.

Sowohl Jud Süß als auch Der Ewige Jude paßten in das Klima des sich ständig verschärfenden Antisemitismus im Dritten Reich. Sie sollten zusammen mit Rundfunk und Presse die Bevölkerung auf das Ungeheuerliche vorbereiten. Für bisherige Verbrechen, wie die Nürnberger Gesetze lieferten die Filme die passende Rechtfertigung.

Jud Süß wurde als historisches Drama angelegt, in dem bekannte Schauspieler wie Heinrich George und Ferdinand Marian mitwirkten. Man bediente sich eines bekannten Stoffes, der schon von Lion Feuchtwanger und zahlreichen anderen Autoren bearbeitet worden war. Es geht dabei um die historisch umstrittene Figur des Joseph Süß Oppenheimer, dem Finanzberater des württembergischen Herzogs Karl Alexander in der Mitte des 18. Jh. Die Handlung des Filmes beschreibt den verhängnisvollen Einfluß des Juden auf den Herzog und die Ausbeutung des württembergischen Volkes. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt in der Vergewaltigung der "arischen" Heldin und der "sühnenden" Hinrichtung des Juden.

Der Ewige Jude war nach den Vorstellungen Hitlers und Goebbels als Ergänzung zu Jud Süß gedacht. Als "Dokumentarfilm" sollte er dem deutschen Volk glaubhafte Argumente über die Minderwertigkeit der jüdischen Rasse liefern. In geschickten Kombinationen von Dokumentaraufnahmen und Trickfilmen werden Juden mit Ratten verglichen und die jüdische Grausamkeit anhand blutiger Schächtszenen gezeigt.

Jud Süß und Der Ewige Jude verdankten ihren propagandistischen Erfolg einer Gemeinsamkeit: Sie bedienten sich beide aller antisemitischen Stereotypen, die in der Geschichte des Antisemitismus greifbar waren. Das reichte von dem Vorwurf der religiösen Kindesopferung bis zur These einer globalen jüdischen Weltverschwörung. Beide Filme machten so trotz ihrer unterschiedlichen Konzeption eine enorme Fülle von Vorurteilen für die Zuschauer so greifbar, wie es nur das Medium Film vermochte. Jeder konnte nun einen Grund finden, weshalb er nicht half. Und manch anderer konnte einen Grund finden, weshalb er etwas gegen die Juden unternahm. Jud Süß und Der Ewige Jude wurden wiederholt Polizei- und Wehrmachtseinheiten sowie KZ-Wachpersonal vorgeführt, mit furchtbaren Konsequenzen für deren Opfer.

Als die Filme Ende 1940 gezeigt wurden, war schon in Planung, was die Welt später mit dem Begriff Holocaust verbinden sollte, die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Daß die Mehrheit der Deutschen die Augen verschloß und das Furchtbare passiv oder sogar billigend ignorierte, war nicht zuletzt auch den beiden Filmen zu verdanken. Das Gefühl von Gerechtigkeit war aus den Köpfen der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt bereits eliminiert und das Furchtbare konnte seinen Lauf nehmen.

Die Perfektion ihrer antisemitischen Argumentation und ihre perfekte psychologische Wirkung macht die Filme auch heute noch zu gefährlicher Propaganda. Es scheint, als ist niemand dagegen gefeit. Als Der Ewige Jude im Oktober diesen Jahres im Zuge eines Publizistikseminars an der Technischen Universität Berlin gezeigt wurde, diskutierte das Publikum nicht über die Propagandawirkung des Filmes, sondern man stritt sich um die angeblich bestialische Grausamkeit der jüdischen Schächtsitte. Genau das hatte Hitler vor über fünfzig Jahren von seinem Publikum erwartet. Es bleibt also zweifelhaft, ob es gelingt die antisemitischen Propagandafilme zu entmystifizieren, indem man sie breitem Publikum zugänglich macht. Zu perfekt, zu eindringlich ist auch heute noch die Propagandawirkung, der sich mancher, auch nicht unter sachkundiger Anleitung, entziehen könnte.

Abstract der Staatsexamensarbeit von Stefan Mannes. Angefertigt am Historischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Die Arbeit ist ist im Buchhandel oder direkt über den Verlag erhältlich.
Stefan Mannes - Antisemitismus im nationalsozialistischen Propagandafilm Der ewige Jude und Jud Süß
ISBN: 3-9805860-3-0, 14 x 21 cm, ca. 160 Seiten, Klebebindung, Broschur, 43,80 DM

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Stefan Mannes. mannes@sun2.ruf.uni-freiburg.de

© Birgit Pauli-Haack 1997