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Special: Steven Spielberg

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"Auch ein einzelner Mensch kann die Dinge verändern"
Michel Friedman im Gespräch mit Steven Spielberg

In dieser Woche hat Bundespräsident Herzog dem US-Filmproduzenten Steven Spielberg das Große Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. Spielberg habe mit "Schindlers Liste" Maßstäbe für den Umgang mit dem sensiblen Thema Holocaust gesetzt. - Während seines Deutschland-Aufenthalts sprach Spielberg mit Michel Friedman über Toleranz, Extremismus und die Kunst, jungen Leuten mit dem Mittel der Emotion die Vergangenheit als Teil des eigenen Lebens nahezubringen.

Michel Friedman: Steven, vor 60 Jahren haben die Nazis in Berlin gewütet und Millionen von Juden ermordet. Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie jetzt hier im Zentrum der deutschen Hauptstadt sitzen, in der Nähe des Brandenburger Tors - als Jude?

Steven Spielberg: Als Jude habe ich mir diese Frage schon gestellt, als ich '92 nach Polen gegangen bin, bei der Vorbereitung der Dreharbeiten für den Film "Schindlers Liste". An den Orten, an denen Jahrzehnte zuvor die Massenmorde stattgefunden hatten, war ich sehr verängstigt. Ich habe heute andere Gefühle, was Deutschland angeht, weil ich sehr oft hier gewesen bin, seit den Dreharbeiten für den ersten Film, "Duell", Anfang der siebziger Jahre. Damals kam ich nach München. Ich war sehr jung, und ich befürchtete, mich in einem Land aufzuhalten, das die größten Verbrechen aller Jahrhunderte zu verantworten hatte, nicht nur die des 20. Jahrhunderts.

Als ich mich mit Deutschen traf, vor allem mit Vertretern der zweiten und dritten Generation "danach" - ich bin schließlich auch ein Vertreter der zweiten Generation, und meine Kinder gehören bereits der dritten Generation an -, da begriff ich mit der Zeit, was mir meine Eltern beigebracht hatten. Sie hatten mir gezeigt, daß man die Kinder nicht für die Sünden ihrer Eltern verantwortlich machen kann. Studenten, Filmemacher und andere haben es geschafft, meine Ängste zu dämpfen. Jetzt, wo ich als erwachsener Mann zurückkomme, habe ich diese Ängste überhaupt nicht mehr.

Friedman: Wie ist die Verbindung Ihrer Familie zum Holocaust?

Spielberg: Wir haben Verwandte im Holocaust verloren. Spielberg ist ein österreichischer Name. Ich habe österreichische und russische Vorfahren, wir hatten viele Familienangehörige in Österreich und auch in Polen, und viele von ihnen sind im Laufe des Holocaust umgebracht worden. Persönlich kannte ich sie zwar nicht. Aber ich kannte die Geschichten von meinen Großeltern, die - in Rußland und in Österreich geboren - in das Amerika der Jahrhundertwende gekommen waren.

Friedman: Denken Sie, daß die junge Generation von heute dazugelernt hat?

Spielberg: Ich hoffe bei Gott, daß dies der Fall ist. Lernen ist natürlich eine langwierige Entwicklung - ich wünschte mir schon, daß alles ein bißchen schneller vonstatten ginge. Immerhin verändert sich in Deutschland und in ganz Europa alles etwas schneller als in Amerika, weil die Bildungssysteme hier weiter gefaßt sind als in den Vereinigten Staaten. Amerika ist wahrlich nicht die führende Kraft im Bildungswesen, wir sind in anderen Bereichen führend.

Friedman: Der Titel unseres Gesprächs lautet "Auf beiden Seiten von Schindlers Liste", weil wir beide Verbindung zu diesem Mann haben. Der reale Oskar Schindler, der Emailwarenfabrikant, rettete meine Familie vor den Gaskammern; Sie machten Anfang der neunziger Jahre einen Film über ihn. Wie hat sich Ihr Leben bei den Dreharbeiten verändert? Wie haben sich Ihre Ansichten bezüglich der Vergangenheit und auch bezüglich der Gegenwart geändert? Was haben Sie aus der Persönlichkeit Schindlers gelernt?

Spielberg: Was ich in dieser Zeit mehr als alles andere gelernt habe, ist die Erkenntnis, daß ein einzelner Mensch wirklich und wahrhaftig Dinge verändern kann. Ein einzelner Mensch kann anderen Menschen - in einem übertragenen Sinn - wieder Leben einhauchen. Oskar Schindler war so ein Rechtschaffener.

Friedman: Kinder werden nicht als Rassisten geboren, sie werden höchstens zu Rassisten gemacht. Denken Sie, daß wir eine solche Entwicklung verhindern können?

Juden müssen aufhören, Opfer zu sein

Spielberg: Wahrscheinlich nicht. Können wir in jede Wohnung gehen und mit allen Menschen reden, die ihre Kinder nicht gut behandeln? Die Haß weitergeben? Die es gestatten, daß ihre Kinder den Haß und den Rassismus der Eltern überall in der Welt nachahmen? Natürlich können wir das nicht. Wir können uns nicht mit allen Menschen unterhalten, wir können gar nicht erst versuchen, sie zu überzeugen.

Aber wir können versuchen, Lehrinhalte zu ändern. Wir können darauf achten, daß den jungen Leuten davon berichtet wird, was passiert ist, daß der Holocaust sehr, sehr vielen Menschen das Leben gekostet hat. Ich denke, wenn wir das schaffen, wenn wir mit diesem Ansatz in die Schulen gehen, dann können wir etwas erreichen. Die heutigen Jugendlichen sind von vornherein besser in der Lage, Werte wie Toleranz weiterzugeben. Daran müssen wir weiter arbeiten.

Friedman: Haben Sie Antisemitismus und Rassismus persönlich kennengelernt?

Spielberg: Ja. Dort, wo wir groß geworden sind, waren wir die einzigen Juden. Wir waren aus dem Osten, aus New Jersey, nach Arizona gezogen. Dort kannten sie keine Juden, nur viele Gerüchte über sie. Zwar habe ich nicht direkt Antisemitismus oder Rassismus durch meine Freunde in Arizona erlebt, aber es gab diese Form von Neugierde, die mich ausgrenzte. Ich habe die Neugierde so gedeutet: Ich war aus dem Blickwinkel der anderen einfach anders, ich sollte per se anders sein, man sah mich anders als den Mainstream der Mitschüler. Weil ich dort nicht angenommen wurde, habe ich mich zurückgezogen. Ich wurde sehr empfindlich und schloß als Teenager nur ganz wenige Freundschaften.

Später, auf der High-School im Norden Kaliforniens, wurde der Antisemitismus erstmals zu einem Thema in meinem Leben: Da gab es Jungen in meinem Alter, die mich angegriffen haben, nur weil ich Jude war. Ein Jahr lang habe ich das über mich ergehen lassen müssen. Das werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Ich habe gelernt, daß Juden immer wieder Opfer sind. Aber ich konnte auch über mein eigenes Schicksal hinausdenken und erkennen, daß auch andere Gruppen durchaus Opfer von Rassenhaß werden.

Bildung ist das einzige, was helfen kann

Friedman: Was ist Ihre politische Einstellung zu diesem Phänomen?

Spielberg: Juden müssen aufhören, Opfer zu sein, sie müssen anfangen, Lehrer zu sein. Die Juden sind lange Zeit Opfer gewesen, im Laufe der Geschichte, im Nahen Osten, im Osten Europas und in der ganzen Welt. Ich glaube nicht, daß die Juden im Gegenzug nun aggressiv sein müssen. Sie müssen Vorurteile mit Toleranz bekämpfen und in der Lage sein, auf eine natürliche Art und Weise ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

Bildung ist dabei aus meiner Sicht das einzige, was helfen kann. Wir sollten in den Sozialwissenschaften den Schülern und Studenten die Lehren der Geschichte beibringen. Nicht nur, was den Holocaust betrifft - auch die vielen Aspekte der Konflikte zwischen Eingeborenen und Neusiedlern. Wir haben Völkermord an den Indianern begangen, in Armenien gab es einen Völkermord genauso wie in Bosnien-Herzegowina oder in Ruanda, in gewisser Weise auch in Irland zwischen den verfeindeten Konfessionen. All diese Lehren sollten verstärkt in den Schulunterricht eingebracht werden.

Friedman: Auf der einen Seite gibt es in einer freien Gesellschaft die Redefreiheit, auf der anderen Seite fängt die Gewalt mit dem Wort an. Wie kann man das Problem lösen?

Spielberg: Die effektivste Methode ist, darüber zu reden, Zeugen sprechen zu lassen, die fürchterliche Dinge erlebt haben. Menschen, die unwürdig behandelt worden sind, sollen im Klassenzimmer davon berichten. Daran dachte ich, als wir mit den "Survivors of the Shoa", mit Überlebenden des Holocaust, eine CD-Rom gemacht haben. Jetzt ist es eher meine Pflicht zu sagen, warum das alles nie wieder passieren darf und warum die jungen Leute die einzigen sind, die dafür sorgen können.

Friedman: Sie haben gerade von der Shoa Foundation gesprochen, nach dem Erfolg von "Schindlers Liste"; Sie sprachen von der CD-Rom, von den 48 000 Originalinterviews, die Sie aufgenommen haben; Sie wollen im Internet präsent sein. Aber die technischen Möglichkeiten heutzutage werden auch von extrem Rechten, von den Neonazis in Deutschland und Amerika und wo auch immer benutzt. Sind diese technischen Möglichkeiten also eher eine Chance oder eher eine Gefahr?

Spielberg: Sie sind eine große Chance. Es gibt natürlich Gefahren, aber jetzt haben wir die Möglichkeit, 48 000 ehemalige Opfer in 48 000 Lehrer zu verwandeln. Wir verteilen diese Informationen, die Zeugenaussagen über die Zeit vor dem Krieg, über die Erlebnisse während des Kriegs und über die konstruktiven Erlebnisse nach dem Krieg. Wir stellen das alles zusammen in einer Form, die faszinierend ist für Kinder. Sie werden keinen Lehrer vor sich haben, der sie mit Wissensfragen bombardiert, dafür eine emotionale Verbindung zu dem ganzen historischen Geschehen. Das ist "Unterricht durch Gefühle" - und wir lernen nun mal durch Gefühle.

Natürlich besteht bei modernen Technologien die Gefahr - und beim lnternet ist das schon der Fall-, daß nicht genug Sicherheiten eingebaut sind. So können zum Beispiel in Amerika diejenigen, die den Holocaust verneinen, das Internet mißbrauchen.

Friedman: Wir haben das Wiedererstarken von Neonazis in Deutschland, wir haben neue Bewegungen unter den Rechtsextremen, wir haben Gewalt. Was fühlen Sie, wenn Sie hören, daß so etwas die Realität auch 1998 ist?

Spielberg: Ich verwehre den Leuten nicht ihre Meinung, sie sollen sie sagen dürfen - ich bin in einer freien Gesellschaft groß geworden. Aber wenn die Botschaft gewaltige Ausmaße annimmt, wenn Hakenkreuze an Synagogen geschmiert werden und Kirchen in Brand gesetzt werden - zum Beispiel im Süden der USA, wo Rassenhaß in Gewalt übergeht -, dann haben wir Gesetze, um uns als freie Bürger in einer freien Gesellschaft zu schützen, und Mittel, um die Täter für längere Zeit ins Gefängnis zu schicken. Dafür bin ich sehr. Ich sage nicht, daß man unangenehme Stimmen ganz unterbinden soll, denn bei jeder Streitfrage gibt es ein Für und Wider. Ich sage aber deutlich, daß Gewalt unterbunden werden muß - und ihre Vertreter in den Knast gehen sollen.

Friedman: Eine der wichtigen Fragen seit Jahren ist die Diskussion über ein Holocaust-Mahnmal. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Spielberg: Ich weiß gar nicht, warum dieses Mahnmal ein Problem ist. Ich weiß nicht, wieso es in Deutschland überhaupt Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, ob es ein Denkmal geben soll. Meine Meinung lautet: Dieses Mahnmal gehört nach Berlin, mitten in die Stadt, damit jeder Zugang hat. Es sollte ein Ort sein, an dem man sich still erinnern und wo man seinen Respekt zeigen kann. Es sollte auch ein Holocaust-Museum geben, mit Multimediaeinrichtungen, damit all die Überlebenden, mit denen wir Interviews geführt haben, gezeigt werden können.

Friedman: Sie raten Deutschland also ganz klar, ein Holocaust-Museum einzurichten?

Spielberg: Ja, ich bin sehr leidenschaftlich dafür.

Friedman: Wie wichtig ist für Sie die Religion?

Spielberg: Wichtig für mich und meine Familie?

Friedman: Ja richtig, Sie haben sieben Kinder. Welche Hoffnung haben Sie für diese Kinder und für die heutige junge Generation?

Spielberg: Ich hoffe sehr, daß meine Familie, meine Kinder und ihre Freunde in Frieden groß werden. Ich hoffe, daß wir keinen Krieg erleiden müssen. Ich hoffe, daß sie nie hungern müssen. Ich hoffe, daß sie fair sind gegenüber anderen.

Friedman: Wie wichtig ist die Geschichte für Sie?

Spielberg: Wir haben eine Zukunft nur durch das Verständnis der Vergangenheit. Nach vorne kann man nicht schauen, wenn man nicht gleichzeitig zurückblickt. In den USA lebt jetzt eine Generation, die nach den Möglichkeiten greift, die jetzt existieren. Wir denken an das Hier und Heute und an morgen früh - an morgen nachmittag denken wir nicht. Und selten ist es der Fall, daß wir nach hinten schauen und begreifen, wer uns soweit gebracht hat, wer den Preis dafür bezahlt hat, daß wir heute in Frieden und Freiheit leben können. Es ist ganz wichtig für junge Menschen weltweit, daß sie die Historie begreifen.

Friedman: Im Shoa-Projekt haben Sie viele Interviews geführt. Was haben Sie persönlich aus diesem Prozeß der Kommunikation mit den Überlebenden des Holocaust gelernt?

Spielberg: Ich habe begriffen, daß diese Überlebenden mehr Mut haben als alle anderen, die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe - ganz einfach, weil sie etwas gemacht haben, was damals vielleicht unmöglich schien. Sie sind verschleppt worden, sie wurden umgewandelt in das, was die Nazis "Müll" nannten, und auf wundersame Weise haben sie dennoch überlebt. Viele von ihnen haben fast alle Angehörigen verloren, und man könnte meinen, das letzte, was sie wollten, wäre es gewesen, Kinder in eine Welt zu setzen, in der sie soviel Leid erfahren mußten. Doch sie haben Gott auch nach dem Holocaust erlebt, und sie haben Kinder gezeugt und geboren.

Das ist, glaube ich, das größte, was die Holocaust-Überlebenden erreicht haben, das ist ihre größte Leistung. Denn dies ist der Prozeß der Erneuerung, der aus dem Holocaust stammt.

Friedman: Ein Dialog mit den Überlebenden, ist das der Schlüssel zur Erinnerung?

Spielberg: Der Dialog mit den Überlebenden ist ein Schlüssel zur Erinnerung, aber es gibt auch andere. Ich habe oft in Amerika gesagt: Wir können nicht nur über den Holocaust reden, wenn wir ignorieren, daß jahrhundertelang auch andere Minderheiten Unterdrückung erfahren mußten. Der Holocaust kann ganz vorne stehen, weil er das Schlimmste ist, was jemals in der Geschichte passiert ist. Aber alles andere muß dazugehören. Ansonsten ist das doch viel zu selektiv.

Friedman: Respektieren Juden, Christen, Moslems einander?

Spielberg: Ich würde schon hoffen, daß wir einen solchen Zustand erreichen könnten, irgendwann in unserem Leben. Aber religiöse Kriege sind seit Hunderten von Jahren geführt worden, und die Religion ist der Grund für viele Kriege im Laufe der letzten 1000, 2000 Jahre, ja noch weiter zurück. Es ist wahrscheinlich ein Teil unserer menschlichen Natur, daß wir so überzeugt sind von unserer jeweils eigenen Sache, daß wir andere - und deren religiöse Überzeugung - aus unserem Denken ausschließen. Das ist der Anfang des Holocaust. Wir sollten es nie als selbstverständlich hinnehmen, daß wir heute die Auswahl, daß wir heute Freiheiten haben. Wir sind sehr glücklich, in einer freien Welt leben zu dürfen.

Friedman: Seit "Schindlers Liste" haben Sie als Regisseur mehr und mehr politische Inhalte zum Thema Ihrer Filme gemacht. Warum?

Ich würde meine Kinder bitten, mit mir zu reden

Spielberg: Im Laufe der Zeit, wenn man älter wird, begreift man, daß ein Film mehr ist als zwei Stunden Unterhaltung. Das Kino ist so stark, daß man durch die Projektion auf dem Bildschirm Menschen dazu bringt, mehr von einem Thema zu verstehen, als sie vorher verstehen konnten. Da ich selber mehrere Kinder habe, bin ich der Meinung, daß ich ihnen etwas schuldig bin; ich muß ihnen mehr hinterlassen als "E.T." oder "Jurassic Park". Bei diesen Filmen kann man im Alltag Zuflucht finden, aber man kann aus ihnen nicht unbedingt viel lernen. "Schindlers Liste" dagegen ist ein sehr wirksames Werkzeug, viel mehr als Unterhaltung. Aber glauben Sie bitte nicht, daß ich mich jetzt zum Propheten machen möchte. Es gibt viele Geschichten, die überhaupt nichts mit Historie oder gar mit Politik zu tun haben und die ich trotzdem gerne erzählen möchte.

Friedman: Kommen wir noch einmal auf die Zeit zurück, in der Sie sich als Jude ausgestoßen fühlten. Wie war damals die Reaktion Ihrer Familie? Haben Sie sich miteinander darüber unterhalten?

Spielberg: Nein. Mir ging es so wie vielen Juden in ähnlicher Situation: Ich habe mich geschämt. Ich habe mir die Schuld gegeben für den Haß von anderen. Ich hätte ihnen die Schuld geben müssen, aber ich sah sie bei mir als Jude. Ich hätte eigentlich wütend sein müssen, hätte laut sagen müssen: Was ist denn hier los? Ich hätte sagen müssen: Ich bin normal, die anderen sind es nicht. Aber ich habe mich mit meiner Familie nicht darüber unterhalten, bis meine Mutter einmal meine blutige Nase gesehen hat und einen blauen Fleck über dem Auge und mich fragte, was denn los sei. Sie mußte mich dann zu dem Geständnis geradezu zwingen.

Friedman: Was würden Sie Ihren Kindern sagen, wenn sie mit Rassismus konfrontiert würden?

Spielberg: Ich würde ihnen sagen, daß sie Geduld haben sollen. Als erstes würde ich meinen eigenen Kindern sagen: Wenn euch jemand schlägt, dann schlagt nicht zurück, denn so fangen Kriege an.

Friedman: Haben Sie selbst als Junge zurückgeschlagen?

Spielberg: Ja. Deswegen habe ich auch mehr einstecken müssen. Natürlich hätte ich nicht zurückschlagen müssen. Aber ich war sehr wütend, und so habe ich eben reagiert und gekämpft. Generell finde ich, daß man einem Kind zwar sagen muß, es solle nicht zurückschlagen, daß es sich aber trotzdem verteidigen können muß. Ich würde meine Kinder darum bitten, den Versuch zu machen, mit mir über ein konkretes Problem zu reden. Ich würde sie bitten, die Wahrheit nicht vor Mutter und Vater zu verstecken, sondern ihnen zu erzählen, was passiert ist. Denn indem man darüber redet, kann man eine ganze Menge lernen.

Friedman: Steven, was ist Ihre Hoffnung im Leben?

Spielberg: Mein Gott, das ist eine große Frage. Also, meine Hoffnung richtet sich auf meine Kinder. Ich hoffe, sie führen glückliche, gesunde und faire Leben. Und ich hoffe, daß ich in der Lage sein werde, Heimvideos zu drehen, damit ihr Leben auf Film festgehalten wird.

Friedman: Glauben Sie an die Zukunft der Menschheit?

Spielberg: Wenn ich nicht daran glauben würde, dann hätte ich nicht die Filme gedreht, die ich gedreht habe.

© DIE WELT, 12.9.1998

© 1999Birgit Pauli-Haack 1997