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Widerstand






mehr über's Projekt

Die Weiße Rose

Eine Denk-, keine Gedenkstätte

Bundespräsident Roman Herzog eröffnet die „Denkstätte Weiße Rose“

Mut machen für den Aufstand des Gewissens

Geschwister Scholl sollen Vorbild im Kampf gegen den Nationalismus von heute sein

Von Christine Burtscheidt

Im Beisein von Bundespräsident Roman Herzog ist am vergangenen Samstag die „Denkstätte Weiße Rose“ von Überlebenden der studentischen Widerstandsgruppe, der Hochschulleitung und der Stadtspitze in der Münchner Universität eröffnet worden. „Den Rückblick auf unsere eigene Geschichte kann man nur dann in eine richtige Dimension setzen, wenn man sich auch ihre ganz bösen Seiten vergegenwärtigt“, sagte Herzog nach langem Schweigen in unmittelbarer Nachbarschaft des Ortes, an dem die Geschwister Hans und Sophie Scholl einst festgenommen worden waren. Das Besondere sei, daß hier ein Aufstand des Gewissens stattgefunden habe, der keine politischen Ziele verfolgte. Auch begrüßte Herzog die Idee der Denkstätte: „Ich bin kein Freund großer Monumente.“

Im Namen der einstigen Mitstreiter der Widerstandsgruppe machte Franz J. Müller, Sprecher der Stiftung Weiße Rose, das Konzept deutlich: Es solle weniger eine Stätte der Betroffenheit, als vielmehr eine der Begegnung sein, an der junge Menschen Antworten auf ihre Fragen zum Nationalismus von einst und heute finden könnten. „Unsere Aufgabe ist, etwas nicht zur Ruhe kommen zu lassen, das mit der Einsicht in Verbrechen des Nazi-Regimes 1942/43 als Unruhe aufgestanden ist.“

Ein „längst überfälliges Ereignis“ nannte Oberbürgermeister Christian Ude die Eröffnung der Denkstätte an diesem geschichtsträchtigen Ort. Damit sei die Möglichkeit gegeben, erstmals auch Informationen über die Weiße Rose und die Rolle der Universität während der NS-Zeit an die 57 000 Studenten heranzutragen. „Tatsache ist eben, daß die Hochschule in dieser Zeit voll versagt hat, und daß Professoren und Studenten mit flatternden Fahnen übergelaufen sind“, sagte Ude. Wichtig sei es deshalb, jungen Menschen Mut zu machen, gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit rechtzeitig aufzubegehren, bevor der Widerstand einem eine Gewissensentscheidung abfordere, wie sie die Weiße-Rose-Mitglieder einst für sich hatten treffen müssen.

Mit prominenten Vertretern auf der Rednerliste hatte die Ludwig-Maximilians-Universität zuvor ihr 525. Stiftungsfest begangen. Der scheidende Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Frühwald, hatte in seinem Festvortrag kritisiert, daß die Universität in der Nachkriegszeit immer wieder zu hochschulfremden Zwecken instrumentalisiert worden sei. „Ende der 60er Jahre als Experimentierfeld für Mehr Demokratie wagen, zehn Jahre später als Strukturfördermittel für industrieschwache Regionen; dann als gigantischer Parkplatz für Menschen, die keinen Arbeitsplatz finden.“ Er forderte Professoren und Studenten auf, in dieser Zeit des Umbruchs ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, um gemeinsam und in Abgrenzung zu amerikanischen Hochschulmodellen eine europäische Universität aufzubauen.

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