Die Mitglieder der Swing-Jugend stammten aus dem großstädtischen
Gewerbebürgertum. Sie orientierten sich nicht an den Werten
und Traditionen der bündischen Jugend und hatten wenig Interesse
an Politik. Vielmehr wollte die Swing-Jugend ein freieres Leben
und ihre eigene Kultur haben. Das brachtsie durch ihr Interesse
für die Jazz-Musik und dem amerikanisch-englischen Lebensstil
zum Ausdruck. Man hörte englische und amerikanische Schallplatten,
kleidete sich dementsprechend, gründete Swing-Bands und veranstaltet
Swing-Parties. Die Kleidung der Swing-Jungen bestand aus extrem
langen Jacketts mit großem Karomuster, weitgeschnittenen
Hosen und einen nie aufgespannten Regenschirm, als eine Art Kultobjekt.
Außerdem trugen sie längere Haare, die bis zum Jackettkragen
reichten. Man begrüßte sich mit "Swing-Heil und
gab sich Spitznamen wie "Swing-Boy", Swing-Girl"
" oder "Old-Hit-Boy".
Die Swing-Mädchen trugen kurz geschnittene Kleider oder lange
Hosen, schminkten sich, be- nutzten Lippenstift und lackierten
sich die Fingernägel. Das alles paßte nicht in die
Ideologie der Nazis, besonders bei den Mädchen, die gegen
die Nazi-Auffassung "die deutsche Frau schminkt sich nicht"
verstießen. Swing war für die NS-Ideologen "jüdische
Niggermusik" und deshalb verboten. In den meisten Cafe`s
und Tanzlokalen waren deshalb überall von der Reichsmusikkammer
gut sichtbar Schilder angebracht worden, mit der Aufschrift "Swing
tanzen verboten".
"Die Angehörigen der Swing-Jugend stehen dem heutigen
Deutschland und seiner Polizei, der Partei und ihren Gliederungen,
der HJ, dem Arbeits- und Wehrdienst, samt dem Kriegsgeschehen
ablehnend oder zumindest uninteressiert gegenüber. Sie empfinden
die nationalsozialistischen Einrichtungen als einen "Massenzwang".
Das große Geschehen der Zeit rührt sie nicht, im Gegenteil,
sie schwärmen für alles, was nicht deutsch, sondern
englisch ist."(Bericht der "Reichsjugendführung")
Dieses, in den Augen der Nazis, abweichende Verhalten führte
zu einem unnachgiebigen Vorgehen der NS-Machthaber gegen die Swing-Jugend.
In einem Bericht vom 8.1.1942 an den Reichsführer SS Himmler
heißt es unter anderem:
"In Hamburg hat sich in den Oberschulen bzw. in der Jugend
der Kaufmannschaft eine sogenannte Swing-Jugend gebildet, die
zum Teil eine anglophile Haltung zeigt...Da die Tätigkeit
dieser Swing-Jugend in der Heimat eine Schädigung der deutschen
Volkskraft bedeutet, halte ich die sofortige Unterbringung dieser
Menschen in ein Arbeitslager für angebracht..."
Die für Himmler typische Antwort am 26.1.1942 lautete:
"Meines Erachtens muß jetzt das ganze Übel
radikal ausgerottet werden. Ich bin dagegen, daß wir hier
nurhalbe Maßnahmen treffen. Alle Rädelsführer...sind
in einKonzentrationslager einzuweisen...Der Aufenthalt im Konzentrationslager
für diese Jugend muß ein längerer, 2-3 Jahre sein...Nur
wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefährliches
Umsichgreifen dieser anglophylen Tendenz in einer Zeit, in der
Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können."
Was die NS-Führung von der Swing-Jugend hielt, geht aus der
"Sofort-Aktion gegen die Swing-Jugend" vom 18.8.1941
hervor:
"...Es handelt sich hier z.T. um degenerierte und kriminell
veranlagte, mischblütige Jugendliche, die sich zu Cliquen
bzw. musikalischen Gangster-Banden zusammengeschlossen haben und
die gesund empfindende Bevölkerung durch die Art ihres Auftretens
und die Würdelosigkeit ihrer musikalischen errorisieren..."
In der Folgezeit wurden über 300 Mitglieder der Swing-Jugend
verhaftet. Sie kamen als "Schutzhäftlinge" ins
Hamburger Gestapo-Gefängnis und ins KZ Fuhlsbüttel.
Die Verachtung der Nazis gegenüber der Swing-Jugend zeigte
sich darin, daß sie dort zu besonders schweren Arbeiten
herangezogen wurden.
Die Verhaftungswelle hatte zur Folge, daß einige Swing-Jugendliche
begannen, den Nationalsozialismus auch politisch abzulehnen. Sie
fingen an, antifaschistische Flugblätter zu verteilen. Das
hatte wiederum zur Folge, daß sie mit dem Hamburger Teil
der Weißen Rose in Kontakt kamen. Es handelte sich um drei
Mitglieder der Weißen Rose, die mit dem Lebenstil der Swing-Jugend
sympatisierten. Zu einer regelrechten Zusammenarbeit mit den Swings
kam es allerdings nicht.
Doch dieser bloße Kontakt reichte den NS-Machthabern, auch
einige Swings wegen Hochverrat, staatsfeindlicher Propaganda und
Wehrkraftzersetzung vor dem Volksgerichtshof anzuklagen. Der Prozeß
und die zu erwartenden Todesurteile wurden durch den Einmarsch
der Allierten verhindert.