Kids im Nazi-Regime
Widerstand Jugendlicher gegen den Nationalsozialismus

von Michael Lichte


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Widerstand Jugendlicher

Der Widerstand bzw. die Opposition Jugendlicher gegen das Dritte Reich entwickelte sich spontan. Er war nicht geplant und geregelt wie bei den Jugendorganisationen der SPD oder KPD. In diesen Organisationen wurde der Widerstand aus einer politischen Motivation heraus geführt. Die Motive der allgemeinen Jugendopposition waren unterschiedlich. Ein Teil der Jugendlichen wünschte sich eine freiere Jugendkultur, ein anderer Teil knüpfte an die Traditionen der, 1933 verbotenen, bündischen Jugendgruppen an, wieder andere lehnten den Staat aus religiösen Gründen ab. Eine ganze Reihe Jugendliche gingen aus reiner Abenteuerlust in Opposition. Insgesamt wehrten sich die Jugendlichen gegen den immer stärker werdenden Druck des Staates. Der Widerstand der Jugendlichen, von denen viele anfangs der HJ noch positiv gegenüberstanden, verstärkte sich in dem Augenblick, als der HJ-Dienst immer mehr militärischen Charakter annahm. Die Jugendopposition äußerte sich ganz unterschiedlich. Zum Beispiel:

  1. ziviler Ungehorsam (Nichtteilnahme am HJ - Dienst)
  2. Aufrechterhaltung traditioneller Gemeinschaften
  3. Nonkonformität
  4. Ablehnung von NS - Normen (z.B. Herrenmenschentum)
  5. zum Teil aktiver Widerstand (Sabotage, Flugblattverteilung)

Aus den Jugendgruppen ging z.B. die Weiße Rose hervor. Die Jugendopposition wurde vom NS - Regime sehr ernst genommen. Die Gruppen wurden systematisch verfolgt und drakonisch bestraft.

Die Machthaber scheuten sich nicht, Minderjährige mit dem Tode zu bestrafen. Dabei bedienten sie sich auch der Rechtsbeugung. Dem siebzehnjährigen Helmuth Hübner bescheinigte man eine über sein Alter hinausgehende Intelligenz und verurteilte ihn als Erwachsenen, was das Todesurteil zur Folge hatte. Helmuth Hübner hörte sogenannte Feindsender ab und verbreitete die Nachrichten auf Flugblättern.

Im Folgenden möchte ich auf zwei dieser jugendlichen Protestgruppen näher eingehen.

Es handelt sich um die Swing-Jugend und die Edelweißpiraten, zwei Jugendgruppen die man faktisch zum vergessenen Widerstand rechnen kann.







Die Swing-Jugend

Die Mitglieder der Swing-Jugend stammten aus dem großstädtischen Gewerbebürgertum. Sie orientierten sich nicht an den Werten und Traditionen der bündischen Jugend und hatten wenig Interesse an Politik. Vielmehr wollte die Swing-Jugend ein freieres Leben und ihre eigene Kultur haben. Das brachtsie durch ihr Interesse für die Jazz-Musik und dem amerikanisch-englischen Lebensstil zum Ausdruck. Man hörte englische und amerikanische Schallplatten, kleidete sich dementsprechend, gründete Swing-Bands und veranstaltet Swing-Parties. Die Kleidung der Swing-Jungen bestand aus extrem langen Jacketts mit großem Karomuster, weitgeschnittenen Hosen und einen nie aufgespannten Regenschirm, als eine Art Kultobjekt. Außerdem trugen sie längere Haare, die bis zum Jackettkragen reichten. Man begrüßte sich mit "Swing-Heil und gab sich Spitznamen wie "Swing-Boy", Swing-Girl" " oder "Old-Hit-Boy".

Die Swing-Mädchen trugen kurz geschnittene Kleider oder lange Hosen, schminkten sich, be- nutzten Lippenstift und lackierten sich die Fingernägel. Das alles paßte nicht in die Ideologie der Nazis, besonders bei den Mädchen, die gegen die Nazi-Auffassung "die deutsche Frau schminkt sich nicht" verstießen. Swing war für die NS-Ideologen "jüdische Niggermusik" und deshalb verboten. In den meisten Cafe`s und Tanzlokalen waren deshalb überall von der Reichsmusikkammer gut sichtbar Schilder angebracht worden, mit der Aufschrift "Swing tanzen verboten".

"Die Angehörigen der Swing-Jugend stehen dem heutigen Deutschland und seiner Polizei, der Partei und ihren Gliederungen, der HJ, dem Arbeits- und Wehrdienst, samt dem Kriegsgeschehen ablehnend oder zumindest uninteressiert gegenüber. Sie empfinden die nationalsozialistischen Einrichtungen als einen "Massenzwang". Das große Geschehen der Zeit rührt sie nicht, im Gegenteil, sie schwärmen für alles, was nicht deutsch, sondern englisch ist."(Bericht der "Reichsjugendführung")

Dieses, in den Augen der Nazis, abweichende Verhalten führte zu einem unnachgiebigen Vorgehen der NS-Machthaber gegen die Swing-Jugend.

In einem Bericht vom 8.1.1942 an den Reichsführer SS Himmler heißt es unter anderem:

"In Hamburg hat sich in den Oberschulen bzw. in der Jugend der Kaufmannschaft eine sogenannte Swing-Jugend gebildet, die zum Teil eine anglophile Haltung zeigt...Da die Tätigkeit dieser Swing-Jugend in der Heimat eine Schädigung der deutschen Volkskraft bedeutet, halte ich die sofortige Unterbringung dieser Menschen in ein Arbeitslager für angebracht..."

Die für Himmler typische Antwort am 26.1.1942 lautete:

"Meines Erachtens muß jetzt das ganze Übel radikal ausgerottet werden. Ich bin dagegen, daß wir hier nurhalbe Maßnahmen treffen. Alle Rädelsführer...sind in einKonzentrationslager einzuweisen...Der Aufenthalt im Konzentrationslager für diese Jugend muß ein längerer, 2-3 Jahre sein...Nur wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophylen Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft, vermeiden können."

Was die NS-Führung von der Swing-Jugend hielt, geht aus der "Sofort-Aktion gegen die Swing-Jugend" vom 18.8.1941 hervor:

"...Es handelt sich hier z.T. um degenerierte und kriminell veranlagte, mischblütige Jugendliche, die sich zu Cliquen bzw. musikalischen Gangster-Banden zusammengeschlossen haben und die gesund empfindende Bevölkerung durch die Art ihres Auftretens und die Würdelosigkeit ihrer musikalischen errorisieren..."

In der Folgezeit wurden über 300 Mitglieder der Swing-Jugend verhaftet. Sie kamen als "Schutzhäftlinge" ins Hamburger Gestapo-Gefängnis und ins KZ Fuhlsbüttel. Die Verachtung der Nazis gegenüber der Swing-Jugend zeigte sich darin, daß sie dort zu besonders schweren Arbeiten herangezogen wurden.

Die Verhaftungswelle hatte zur Folge, daß einige Swing-Jugendliche begannen, den Nationalsozialismus auch politisch abzulehnen. Sie fingen an, antifaschistische Flugblätter zu verteilen. Das hatte wiederum zur Folge, daß sie mit dem Hamburger Teil der Weißen Rose in Kontakt kamen. Es handelte sich um drei Mitglieder der Weißen Rose, die mit dem Lebenstil der Swing-Jugend sympatisierten. Zu einer regelrechten Zusammenarbeit mit den Swings kam es allerdings nicht.

Doch dieser bloße Kontakt reichte den NS-Machthabern, auch einige Swings wegen Hochverrat, staatsfeindlicher Propaganda und Wehrkraftzersetzung vor dem Volksgerichtshof anzuklagen. Der Prozeß und die zu erwartenden Todesurteile wurden durch den Einmarsch der Allierten verhindert.



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© Birgit Pauli-Haack 1997

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