Kids im Nazi-Regime
Widerstand Jugendlicher gegen den Nationalsozialismus

von Michael Lichte


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Die Hitlerjugend (HJ)

Die HJ entstand 1926 und am Anfang gehörten ihr fast nur Jungen an. 1930 wurde dann der Bund Deutscher Mädel (BDM) als Teil der HJ konstituiert. 1931 gab es neben der HJ den "NS-Studentenbund" und den "NS-Schülerbund". Der Letztere wurde 1932 der HJ eingegliedert. Über die Ziele der HJ gab das "Gesetz über die Hitlerjugend" vom 1.Dezember 1936 Auskunft.

Hier hieß es im § 2: "Die gesamte deutsche Jugend ist außer im Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen."

Die freiwillige Mitgliedschaft wurde durch die "Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitlerjugend (Jugenddienstverordnung) vom 25.März 1939 zur Pflichtmitgliedschaft.

"DAUER DER DIENSTPFLICHT (2) Alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 19. Lebensjahr sind verpflichtet in der Hitler-Jugend Dienst zu tun..."

Im Rahmen des HJ-Dienstes stand die körperliche Ertüchtigung an erster Stelle. Mit der Zeit nahm diese körperliche Ertüchtigung immer mehr wehrsportliche Züge an (Geländekampfspiele, Schießausbildung). Im Krieg gipfelte diese Ausbildung in den sogenannten "Wehrertüchtigungslagern", wo die Jugendlichen militärische Aufgaben lösen mußten und auch eine Schießausbildung bekamen. Die Jugendlichen wurden nach dem sogenannten Führerprinzip erzogen: Befehl und Gehorsam. De fakto wurden sie auf ihre Rolle als Soldat im kommenden Krieg vorbereitet. Bei dieser Vorbereitung spielte die Wehrmacht eine nicht unerhebliche Rolle. 1939 startete die Wehrmacht eine Initiative, in deren Rahmen daß Heer Einfluß auf die Jugendarbeit nehmen sollte. Wehrkundeunterricht und militärische Ausbildung sollten verstärkt werden. Während des Krieges wurde der Einfluß der Wehrmacht noch forciert.

Die militärische Grundausbildung führte letztendlich zum aktiven Fronteinsatz (z.B Flakhelfer). An zweiter Stelle stand beim HJ-Dienst die "weltanschauliche Schulung".

Im Rahmen dieser Schulung wurden die Jugendlichen vollkommen auf die nationalsozialistische Ideologie eingestimmt. Hierzu gehörte Unterricht in Rassenkunde, Legenden aus der deutschen Geschichte und die Geschichte der NSDAP. Neben körperlicher Ertüchtigung und weltanschaulicher Schulung, mußten die HJ-Angehörigen in ihrer Freizeit noch eine Vielzahl von Tätigkeiten übernehmen. In der Regel handelte es sich um bestimmte Einsätze, wie z.B.: Sammlungen, Teilnahme an Propagandaveranstaltungen, Ernteeinsatz in den Ferien u.s.w. Die Mitgliedschaft in der HJ bedeutete für die Jugendlichen insgesamt: absoluter Gehorsam, Reglementierung ihrer Freizeit bis ins Kleinste, keine Möglichkeit ihre Pubertät und die damit verbundenen Probleme altersgerecht auszuleben.







Bund Deutscher Mädel (BDM)

Der BDM war ein Teil der HJ. Er ging hervor aus den sogenannten "Schwesternschaften" der HJ. "Der Name Schwesternschaften läßt sich zum Einen damit in Zusammenhang bringen, daß zunächst Mädchen (als leibliche Schwestern) über ihre Brüder zur HJ stießen; zum Anderen scheint er darauf rückführbar, daß die ersten Aufgaben der "Hitler-Mädchen" im freiwilligen Schwesterndienst für im Straßenkampf verwundete SA-Männer und HJ-Jungen bestanden."

In der Anfangszeit bestand die Funktion des BDM darin, den Mädchen Freizeitprogramme anzubieten und die Möglichkeit zum Kennenlernen neuer Freundinnen zu geben. Dadurch sollten die Funktionen der verbotenen bündischen und konfessionellen Jugendgruppen übernommen werden. Wie bei allen NS-Jugendorganisationen wurde ab 1939 auch die Mitgliedschaft beim BDM Pflicht. Anfangs lag auch hier der Schwerpunkt der Freizeitgestaltung in der körperlichen Ertüchtigung. Seit 1937 wurde alles immer mehr auf die Nazi-Ideologie abgestimmt. Die Mädchen sollten von nun an verstärkt auf ihre Rolle als Frau und Mutter erzogen werden. Dazu wurde des BDM-Werk "Glaube und Schönheit" eingerichtet. Hier sollten die Mädchen auf das "Ganz Frau sein" vorbereitet werden. Das bedeutete: Unterordnung unter dem Mann, reines Hausfrauendasein, Verinnerlichung spießiger Moralbegriffe. Als Antagonismus dazu wurden die Mädchen seit 1938 ebenfalls systematisch auf den Krieg vorbereitet. So erhielten sie eine Ausbildung im zivilen Luftschutz und im Gesundheitsdienst, sowie auch eine Luftschutzausbildung (Flakhelferin). Grundsätzlich zielte diese Ausbildung darauf hin, im Notfall den "wehrfähigen Mann" zu ersetzen.

Göring sagte am 10. November 1939: "Die Mädchen aber sollen verstehen, daß auch an sie nun im Ernst der Stunde appeliert wird...Es trifft dann auch an sie der Ernst heran, der Ernst des Berufs einerseits, daß sie dorthin eilen, wo sie irgendwie einen wehrfähigen Mann ersetzen können..."

Mit der Fortdauer des Krieges wurde die wichtigste Aufgabe der Mädchen die Betreuung der Soldaten, das Packen von Feldpostpäckchen, Lazarettbesuche u.s.w. 1941 begann die sogenannte "Erweiterte Kinderlandverschickung". Hier wurden Kinder aus luftbedrohten, vornehmlich den Großstädten, in angriffssichere Gebiete verschickt. Die BDM-Mädchen mußten sich in diesen Kinderlagern um die außerschuliche Versorgung der dort lebenden Kinder kümmern. Je länger der Krieg dauerte, desto mehr Männer wurden eingezogen. Deshalb mußten nun die BDM-Mädchen zunehmend, vor allem in der Rüstungsindustrie, die Arbeitsplätze der Männer auszufüllen. Auch in das Kriegsgeschehen wurden die Mädchen immer stärker einbezogen. Versorgten sie anfangs Verwundete und halfen bei Aufräumungsarbeiten, wurden sie 1944 auch zu frontnahen Einsätzen herangezogen, wie: Schanzeinsätze, Kurierdienste und Luftwaffenhelferin. Nur Waffendienst brauchten die Mädchen nicht zu leisten, da die Nationalsozialisten die Meinung vertreten: "daß Schießausbildung und Waffeneinsätze mit der biologischen Natur der Frau unvereinbar wäre."







Kriegseinsatz

Die Absicht Jugendliche auch zum Wehrdienst heranzuziehen, bestand schon seit 1939. § 1 der Jugenddienstpflicht aus dem gleichen Jahr besagte, daß der Dienst in der Hitler-Jugend "Ehrendienst am Deutschen Volk" ist. Nach dem Wehr- und Reichsarbeitsdienstgesetz von 1935 waren Wehr- und Arbeitsdienst ebenfalls Ehrendienst am Deutschen Volk, so daß man dieses Gesetz auch auf die Jugendlichen anwenden konnte. Der Waffendienst der Jugendlichen begann zu dem Zeitpunkt, als sich das sogenannte "Kriegsglück" wendete. Durch Rückschläge, vor allen Dingen an der Ostfront, mußten 1942 120.000 Mann der Heimatflak an die Front geschickt werden. Gleichzeitig begann die RAF mit dem "Areal Bombing", einer Flächenbombardierung Deutschlands. Aus diesem Grunde wurden die entstandenen Lücken in der Heimatflak mit HJ-Angehörigen aufgefüllt. Am 27. April 1942 erschien ein Erlaß der "Reichsjugendführung", der besagte, daß Jugendliche zur Heimatflak herangezogen werden können, wenn sie sich freiwillig melden und wenigstens 17 Jahre alt sind. Ab Januar 1943 wurde ein teil der Schüler höherer und mittlerer Schulen, auch gegen ihren Willen, eingezogen. Durch die Offensive der RAF kam es unter den Jugendlichen zu sehr hohen Verlusten.

"In einem Vorort von Berlin sah ich eine Reihe toter Flakhelfer nebeneinanderliegen. Eben erst war ein Luftangriff zu Ende gegangen. Die Flakstellung, in der diese Schuljungen Dienst taten, hatte mehrere Volltreffer bekommen. Ich kam in einen Barackenraum, in dem sich die Überlebenden gesammelt hatten. An den Wänden entlang saßen sie auf dem Fußboden und wandten mir ihre weißen, vom Grauen verzerrten Gesichter zu. Viele weinten. In einem Raum lagen Verwundete. Einer von ihnen, ein Junge mit runden, weichen Kindergesicht, straffte sich, als der Offizier, in dessen Begleitung ich mich befand, ihn fragte, ob er Schmerzen habe. "Ja, aber das ist nicht wichtig, Deutschland muß siegen."

Bericht einer BDM - Leiterin

Mit der Fortdauer des Krieges wurden Jugendliche nicht nur als Luftwaffenhelfer eingezogen, sondern immer mehr erhielten den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. Der Grund für die Heranziehung der Jugendlichen zum Frontdienst lag darin, daß die hohen Verluste an allen Frontabschnitten ausgeglichen werden mußten. Die Quote der einberufenen Jugendlichen steigerte sich besonders nach dem 6. Juli 1944, als den Alliierten die Invasion in der Normandie gelungen war und sie sich immer mehr auf das Reichsgebiet zubewegten. Bereits im Sommer 1943 wurde die SS-Panzerdivision "Hitlerjugend" aufgestellt. Es handelte sich um eine Division von 17 und 18 jährigen HJ-Angehörigen, die aktiv 1944 an der Invasionsfront eingesetzt wurden. Im Kessel von Falaise wurde diese Division fast vollständig vernichtet. Zum Kriegsende wurden viele HJ-Angehörige noch zum sogenannten "Volkssturm" eingezogen. Eingesetzt wurden diese Jugendlichen in der Regel in den Straßenkämpfen in den großen Städten; zur Verteidigung kleinerer Ortschaften und zur Sicherung von Brücken. Besonders in Berlin fanden viele dieser jugendlichen Soldaten den Tod, weil sie mit unzureichenden Waffen gegen einen überlegenen Feind kämpfen mußten.


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© Birgit Pauli-Haack 1997

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