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KZ Dachau das erste Konzentrationslager Aktuell
Süddeutsche Zeitung vom 5. Juli 1997 Zeitzeugen und Historiker schlagen Alarm: Umgestaltung der KZ-Gedenkstätte auf der langen Bank Offene Fragen bei der Finanzierung bereiten Probleme / Ministerrat vertagt die Entscheidung Von Felicitas Amler Dachau Zeitzeugen, Geschichtsforscher und andere Fachleute fürchten, daß die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Dachau auf die lange Bank geschoben wird. Als Anzeichen dafür wird gewertet, daß der Ministerrat die Frage der Finanzierung der Maßnahme mehrmals verschoben hat. Als voraussichtlicher Termin einer Entscheidung wird nun der 15. Juli genannt. Ursprünglich war geplant, den Umbau der Gedenkstätte bereits im Januar dieses Jahres zu beginnen und bis 1999 abzuschließen. Die inhaltliche Neugestaltung wurde von einem international besetzten wissenschaftlichen Fachbeirat vorbereitet, dessen Entwurf im vorigen Jahr vom Kultusministerium als verbindlich akzeptiert wurde. Mit der Umsetzung ist das Haus der Bayerischen Geschichte beauftragt. Die Finanzierung aber ist noch ungeklärt. Sechs Millionen Mark sind im Haushalt 1997/98 des Freistaats eingeplant. Tatsächlich stehen derzeit Kosten von mindestens 14 Millionen Mark zur Diskussion. Max Mannheimer, Überlebender der Konzentrationslager Theresienstadt, Auschwitz und Dachau, ist 77 Jahre alt. In einer Veranstaltung der Vereine Memento und Gegen Vergessen für Demokratie, in der es um die Neukonzeption der KZ-Gedenkstätte Dachau ging, warnte er jetzt davor, das Projekt so lange zu verschleppen, bis kein Zeitzeuge mehr mitreden kann: Ich möchte das noch erleben. Barbara Distel, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, unterstrich diesen Appell: Die Mitwirkung der Zeitzeugen an der Neugestaltung des Gedenk- und Lernortes Dachau sei essentiell und unentbehrlich. Manfred Treml, Leitender Sammlungsdirektor am Haus der Bayerischen Geschichte, stellte bei Memento und Gegen Vergessen die Schwerpunkte der Neugestaltung vor, konnte aber die Frage, wann und unter welchen finanziellen Bedingungen damit begonnen werde, auch nicht beantworten. Dies sei letztlich eine Entscheidung, die auf höchster Ebene zwischen dem Landtag, dem Ministerpräsidenten und dem Finanz- und dem Kultusminister, getroffen werde. Die Neukonzeption orientiert sich vor allem daran, daß unter den jährlich rund 700 000 Besuchern der KZ-Gedenkstätte sehr viele Schüler und Jugendliche sind. Es gehe darum, den Wahrnehmungsformen der jungen Generation gerecht zu werden sowie neuere Forschungsergebnisse und museologische Erkenntnisse zu berücksichtigen, erklärt Manfred Treml. So soll die Führungslinie grundlegend geändert werden: Der Eingang zur Gedenkstätte wird künftig über das ehemalige Jourhaus durch das die Häftlinge ins Lager kamen in eine ganz neue Ausstellung mit thematischen Schwerpunkten wie Dachau als Modell für das Lagersystem oder Antisemitismus und Rassenpolitik führen. Authentische Orte wie der Bunker, das Gefängnis des Lagers, sollen für die Besucher erschlossen werden.
Ein wichtiger und kostenträchtiger Punkt ist
außerdem die Nutzung des bisher leerstehenden
Westflügels des Wirtschaftsgebäudes. Dort ist
unter anderem eine Ausstellung mit Kunst aus dem und
über das Lager vorgesehen. Ein starker Akzent liegt
auf der Darstellung von Häftlingsschicksalen, und in
verschiedenen Studienräumen soll die
Möglichkeit zur Vertiefung einzelner Aspekte gegeben
werden. Der Entwurf habe unter Fachleuten große
Zustimmung gefunden, betont Treml. Einzelne Fragen, etwa
die, wie stark man Geschichte inszenieren
darf, seien noch zu klären. Als Einstieg in das
Projekt sei an ein Kolloquium mit breiter
Beteiligung von der Stadt Dachau bis zum
Holocaust Memorial gedacht.
© Birgit Pauli-Haack 1997 |