Shoah Project Vernichtungskrieg.
Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944

[doku] [aktuell] [literatur] [links] Previous Page TOC Next Page

Persönliche Töne zur Wehrmacht
Bundestag debattierte über umstrittene Dokumentation
Von Helmut Lölhöffel
FR vom 15. März 1997

Debatte im Deutschen Bundestag
1. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Alfred Dregger.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU)

(von Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen zur Ausstellung und dann einige Gedanken zum historischen und politischen Teil des Problems. Zuvor, Herr Kollege Häfner: Ihre Rede hat zum Konsens in diesem Hause nicht beigetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.])

Es waren undifferenzierte Vorwürfe; sie waren niederträchtig und zum großen Teil gemein. Ich weise sie zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU -- Lachen und Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu der Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" ist zunächst festzustellen, daß sie eine Privatveranstaltung ist. Es sind zwei Männer, die mit Hilfe dieser Ausstellung ihre Ansichten in Deutschland und Österreich propagieren wollen. Dagegen ist nichts zu sagen. Friedrich Karl Fromme merkt in der "FAZ" an, daß diese Ausstellung inhaltlich nichts Neues bringe, daß sie nicht einmal der kleinen Minderheit der absolut Uneinsichtigen einen aufklärerischen Beitrag leiste. Das führt zu der Frage, was diese Ausstellung soll, was sie leistet, was sie nicht leistet. Dazu gehört auch die Frage, ob die Aussteller Heer und Reemtsma wissenschaftlich und moralisch legitimiert sind,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja unglaublich! -- Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Millionen von Menschen, die sie nicht kennen, ihrem Urteil zu unterwerfen und sie in dieser Weise zu verletzen, ohne einen auf die Person bezogenen Wahrheitsbeweis führen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU -- Anhaltende Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun einige Gedanken zu dem historischen und politischen Teil des Problems: Auf den Beginn des Krieges und die Art der Kriegsführung hatten die über 18 Millionen Soldaten der Wehrmacht nicht den geringsten Einfluß, was übrigens in gleicher Weise für die Soldaten der ehemaligen Kriegsgegner gilt. Soldaten waren immer die Opfer des Krieges.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch die Generalität?)

Bedeutende Entscheidungen wurden nicht von den Soldaten, sondern von den großen Kriegsherren getroffen, die allein die politische Macht und die Befehlsgewalt hatten. Die meisten der deutschen Soldaten, die Leib und Leben für ihr Land riskierten und unendliches Elend ertragen mußten, können zu Recht darauf hinweisen, daß sie selbst an Hitlers Kriegsverbrechen nicht beteiligt gewesen seien und sich auch nicht sonstiger Kriegsverbrechen schuldig gemacht hätten. -- "Die meisten", sage ich; das gilt nicht für jeden. Fest steht, daß das deutsche Volk diesen Krieg ebenso wenig wie das russische Volk und andere Völker gewollt hat, die in ihn hineingezogen worden sind.

(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Unglaublich!)

Anläßlich der Verabschiedung der letzten russischen Soldaten aus Deutschland am 31. August 1994 erklärte der russische Präsident Jelzin in Berlin, das deutsche Volk sei an diesem Krieg nicht schuld gewesen, man habe in Moskau immer zwischen dem großen deutschen Volk und der verbrecherischen Clique, die sich seiner bemächtigt habe, zu unterscheiden gewußt. Diese noble Feststellung ist richtig. Auch wir Deutsche unterscheiden selbstverständlich zwischen dem großen russischen Volk, dem wir in vielfacher Weise verbunden sind, und seiner verbrecherischen Führung unter Stalin. Es ist interessant, daß der Generalstaatsanwalt Rußlands zur Zeit Zehntausende von ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen, die damals von sowjetischen Militärtribunalen zu Unrecht verurteilt wurden, rehabilitieren läßt, womit er eine Absprache zwischen Präsident Jelzin und Bundeskanzler Helmut Kohl realisiert.

(Zuruf von der PDS: Was hat das mit der Sache zu tun?)

Meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur um einzelne, sondern um uns alle. Wie ein Volk nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht, das sagt viel aus über seine moralische Substanz, über seine Würde und seine innere Stärke -- oder Schwäche.

(Beifall bei der CDU/CSU -- Zuruf von der SPD: Furchtbar ist das! -- Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann jeden Deutschen -- auch die Abgeordneten dieses Hauses -- nur bitten, sein Verhalten an diesen Maßstäben auszurichten.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja furchtbar!)

Wie man Vergangenheit fruchtbar aufarbeiten kann, hat uns der frühere französische Staatspräsident Mitterrand am 8. Mai 1995 in Berlin in beeindruckender Weise gezeigt. Er hat damals aus Anlaß des 50jährigen Endes des Zweiten Weltkrieges gesagt -- ich zitiere --: Ich bin nicht gekommen, um den Sieg zu feiern, über den ich mich 1945 für mein Land gefreut habe. Ich bin nicht gekommen, um die Niederlage der Deutschen zu unterstreichen, weil ich die Kraft, die im deutschen Volk ruht, kenne, seine Tugenden, seinen Mut. Und wenig bedeuten mir in diesem Zusammenhang die Uniformen und selbst die Ideen, die in den Köpfen der Soldaten damals gewohnt haben, die in so großer Zahl gestorben sind. Sie waren mutig. Sie nahmen den Verlust ihres Lebens hin für eine schlechte Sache. Aber ihre Haltung hatte damit nichts zu tun. Sie liebten ihr Vaterland. Es ist notwendig, daß uns das klar wird. Europa, das bauen wir. Aber unsere Vaterländer lieben wir. Bleiben wir uns selbst treu!

(Gerald Häfner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nie schien diese Ausstellung nötiger als bei Ihrer Rede!)

-- Ich zitiere jetzt den französischen Staatspräsidenten. Das sollten auch Sie sich anhören. Da können Sie viel lernen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Verbinden wir die Vergangenheit mit der Zukunft, und wir werden in Frieden den Geist dieses Zeugnisses an jene weitergeben können, die uns nachfolgen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lippelt?

Dr. Alfred Dregger (CDU/CSU): Nein, Frau Präsidentin. Mitterrand war ein französischer Patriot -- Gott sei Dank. Aber er hat mehr Einfühlungsvermögen und eine größere Bereitschaft, sich in die Lage des deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu versetzen, bewiesen, als es in Deutschland die große Mehrheit der sogenannten politischen Klasse zu tun bereit ist.

(Zuruf von der SPD: Mordoffiziere waren das!)

Meine Damen und Herren, wir haben uns nicht nur mit einem verlorenen Krieg auseinanderzusetzen, sondern auch mit deutscher Schuld und mit Verbrechen, die von Deutschen verübt wurden. Niemand außer ein paar verwirrten Idioten leugnet das. Dennoch sage ich in aller Klarheit: Diejenigen, die versuchen, die deutsche Wehrmacht pauschal als verbrecherische Organisation darzustellen,

(Gerald Häfner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer tut denn das?)

sagen nicht die Wahrheit. Sie hetzen und verleumden. Dem müssen wir entgegentreten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

Previous Page TOC Next Page


© Birgit Pauli-Haack 1997 - 1999