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Interview mit Kenneth Kronenberg
geführt im Februar 1997 von Birgit Pauli-Haack
Teil II
Ich setzte mich dann mit dieser Gruppe in Verbindung, und es entand eine
rege Korrespondenz. Nach einigen Monaten bekam ich einen Stammbaum der
Familie Kronenberg, der bis 1757 zurück ging. Dann auch einen Artikel, den
ich sogleich übersetzte. Der Artikel hiess: "Die Familie Kronenberg. Die
letzten Juden in Geseke" und wurde von einer alten Frau, Elizabeth Rohde,
geschrieben, die als junges Mädchen meine Grosseltern mit Lebensmitteln
versorgte bis sie abgeschleppt wurden. Dieser Artikel hat mich zürst kaum
berührt - für mich waren es fremde Geschichten, die nichts mit mir zu tun
hatten -, bis ich ihn meiner deutschen Freundin zeigte. Sie fing an zu
weinen und damit war der Damm für mich auch gebrochen. Der Artikel ist auf
meiner Webseite zu lesen; das war meine erste Holocaust bezogene
Übersetzung. Nach einem Jahr, habe ich auch Geseke besucht; diese
Verbindung ist fortdaürnd.
Meine Webseite besteht aber erst seit März v.J. Zur Zeit war ich wenig
beschäftigt und in einer Gruppe von "academic editors" zu der ich gehöre
wurde über das Internet geredet. Ich wollte nichts davon hören. Ich
bestand auf persönlichem Kontakt und lehnte buchstäblich alles ab, was
meines Erachtens mich davon abhalten würde. Der Leser wird wenig
überrascht sein, wenn ich zugebe, daß ich das Internet noch überhaupt
nicht gesehen hatte. Dann hat die Tochter eines Mitgliedes uns ihre Webseite
gezeigt und der Groschen ist gefallen. Von einem Tag zum anderen wurde ich
überzeugter Internetler und lernte schnell HTML, um meine Ideen realisieren
zu können. Ich stellte mir vor, ich könne meine Übersetzungen auf dem Web
zeigen, vor allem Dokumente, die ich von der Geseker Arbeitsgruppe bekommen
hatte. Für mich war es eigentlich weit wichtiger, diese Dokumente zu
veröffentlichen und dem Publikum zur Verfügung zu stellen als mich als
Übersetzer vorzustellen. Infolgedessen habe ich mehrere Links mit
Gleichgesinnten verknüpft, unter anderen mit der "Cybrary of the
Holocaust". Ich hegte keine Illusion, daß ich sofort "Jobs" bekommen
würde; es freute mich nur, dieser grossen Idee nachgehen zu können. Wozu
hat man denn Freizeit?
Anfangs Dezember bekam ich aber Email von Mike Dunn, dem Webmaster der
Cybrary. Er hatte meine Dokumente und Essays gelesen und erinnerte sich,
daß ich Übersetzer war. Er erzählte, daß er von einem deutschen Verlag
ein Buch über die Leugnung des Holocausts ("In Auschwitz wurde niemand
vergast. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt") bekommen
hatte. Der Verlag wollte das Buch übersetzt haben und auch drei Kapitel auf
die Cybrary anschlagen. Würde ich mich dafür interessieren? Zwei Mal
mußte ich nicht gefragt werden. Ich setze mich sofort mit dem Verlag an der
Ruhr in Verbindung; wenn sie Muster sehen wollten, sollten sie meine
Webseite anschaün. So ist es gekommen, daß ich dieses Buch übersetzt
habe.
Die Sache hört aber da nicht auf. Vor einer Woche bekam ich Email von dem
Shoah Project. Könnten sie meine Essays auf ihre neuen Webseite veröffentlichen?
Natürlich gerne. Und so bekomme ich zunehmend das Gefühl, daß meine
Webseite zu einem immer festeren Knoten im Cyberspace, in einer virtuellen
Gemeinschaft, wird.
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