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über's Projekt
der artikel
die gegenwehr?
das interview
update 1.1
6. Februar 1997
Der Artikel erschient erstmals im wildpark - Magazin im Frühjahr 1996.
(eingestellt im Sommer 1997)

... free speech for nazis?


Es gibt drei verschiedene Strategien, die den Nazi-Spuk in den Datennetzen bekämpfen sollen.

Zensur?

Laut Aussage des Bundesjustizministeriums können Betreiber von Online - Diensten, die Zugang zum Internet anbieten, für strafbare Inhalte zur Verantwortung gezogen werden. Momentan werden Online - Dienste juristisch wie Fernsehanstalten behandelt, d.h. man kann sie im Gegensatz zur Post für die Inhalte, die durch ihre Kanäle fließen, zur Rechenschaft ziehen. Deutsche Strafverfolgungsbehörden "können verhindern, daß über deutsche Betreiber Zugang zu verbotenem Material möglich wird", so Ministeriumssprecher Boehm laut der TAZ vom 4.1.96. Drei Wochen später, am 27.1., wurde es in die Praxis umgesetzt. Von den Behörden darauf hingewiesen, kappte die Telekom die Verbindung zu dem kalifornischen Webserver der Firma Webcom, da in derem Angebot von 1.500 Webseiten sich auch die Zündel-Site mit ihrem revisionistischem Gedankengut befand. Die dezentrale Struktur, schließlich sollten selbst sowjetische Atombomben Nachrichten im Internet Vorgänger Arpanet nicht aufhalten können, bemächtigt das Netz, so John Gilmore, einen Zensurversuch als Systemfehler zu interpretieren und deshalb zu umgehen.

Zündelsites for everyone

Rich Graves, System Administrator der renommierten Stanford University, war einer der ersten, der die Zündel-Site aus Unterstützung für die Redefreiheit spiegelte. Aus Protest gegen die Zensurmaßnahme poppte in kürzester Zeit überall auf amerikanischen Servern der Inhalt der Zündelsite auf, ein E-mail mit der Subject - Line "Your own Zündelsite in less than five minutes" wurde an die Cypherpunks mailing list verschickt. So kam es zu einer ungewollten Solidarisierung von Liberalen mit Hardcore Nazis vom Schlage eines Ernst Zündels. Dieser triumphierte natürlich ob des Medieninteresses für seine Site und schwärmte von hunderten von E-Mails voller Unterstützung.

Staatliche Zensurmaßnahmen
und schwitzende Bullen


Offensichtlich sind staatliche Zensurmaßnahmen kontraproduktiv und bergen zudem die Gefahr, daß schwitzende bayrische Polizisten das Web nach anderem, in ihren Augen mißliebigem Material durchstöbern und elektronische Briefe nach Schlüsselwörtern durchgescannt werden. "Wenn man Regierungsbehörden befähigt zu entscheiden, welche Art von Information erlaubt ist oder nicht...", so Marc Rothenberg, Direktor des Electronic Privacy Information Center, "und man dann diese rigorosen Strafen bei einer Verletzung der Regeln aufstellt, dann hat man im Prinzip ein Zensursystem errichtet, das leicht auf eine Vielfalt anderer Gebiete übertragen werden kann. Dann verschwindet nicht nur das schlechte Zeug." Selbst die ehrwürdige New York Times registrierte, daß z.B. die kanadischen Anti- Pornographie Gesetze nur den Vorwand für Behörden liefern, hauptsächlich Druckerzeugnisse und Buchgeschäfte von Schwulen und Lesben zu beschlagnahmen bzw. zu durchsuchen, und nicht die im Gesetz antizipierten 24 Stunden- Hardcore-Porno -Shops.

Diskussion?

Als passende Alternative, basierend auf der liberalen Netzkultur, erscheint vielen eine Diskussion mit Nazis. "The Hate Page of the Week", unterhalten von dem 20 jährigen Politikstudenten Frank Xavier Placencia, plaziert nicht nur Gruppen in einen gemeinsamen Kontext, die nicht zusammengehören (so setzt er die Black Panthers mit weißen Rechtsextremen gleich ), sondern veröffentlicht Links zu Naziseiten. Gedacht als Mahnung an den vorhandenen virulenten Rassismus, wendet er sich gegen Zensur von Nazis und will stattdessen den Dialog mit ihnen fördern. David Abitol, der Produzent der "Net Hate Page" mit Links zu dem ganzen rechtsextremen Spektrum im Netz und einigen anti-rassistischen Sites, sekundiert: "Der beste Weg, um mit diesen Aufwieglern umzugehen, ist, alles öffentlich zu machen. Mit Fakten rauskommen oder auf dem Markt der Ideen untergehen."

Die ökonomische Idiotie

Die ökonomische Idiotie, daß der Markt alles selber regeln kann, findet auch seinen Niederschlag in diesem Diskurs wieder. "Wir machen aus Hardcore - Nazis keine netten Menschen, das ist nicht unser Job, aber wenigsten kann der angeregte Dialog dazu beitragen, daß wir einander alle als Menschen betrachten." Friede, Freude, Eierkuchen. Diese Logik verpflichtet zu kuriosen Scheingefechten mit Nazi-Organisationen, daß diese auch ihre Sites mit Links zu antifaschistsichen Sites programmieren. Ernst Zündel, Tom Metzger, Don Black und die anderen tausend namenlosen Nazi-Funktionäre werden sich durch solche naiven Diskussionsspielereien in ihrer Mission nicht aufhalten lassen. So sehr die Betreiber der "Diskussion über alles" Sites sie als Verrückte darstellen, verschaffen sie den Nazis ungewollt doch eine Öffentlichkeit und Kredibilität als Diskussionspartner.

Pressure


Zu Recht verwehrt sich der jüdische Simon Wiesenthal Center aus Los Angeles dagegen, über die Existenz des Holocausts mit Neo-Nazis zu diskutieren. Der Holocaust, als die singuläre menschliche Grausamkeit in der Weltgeschichte, kann und sollte nicht unter der Prämisse diskutiert werden, ob er tatsächlich stattgefunden hat oder ob von 6 Millionen ermordeten Juden nur 150.000 Juden in den Lagern umgekommen sind. Denn das wäre schon ein Etappensieg der Revisionisten auf den Weg zur Relativierung des Holocausts und ein Schlag ins Gesicht der Opfer und Nachfahren. Anstatt auf Dialog mit der digitalen braunen Brut zu setzen, verschickte der Simon-Wiesenthal-Center einen Brief an 2.000 Internet - Provider, u.a. AOL, Compuserve, Microsoft Network, und Universitäten Anfang Januar."Internet Provider haben ein First Amendment Recht und eine moralische Verpflichtung, diesen Gruppen keine Plattform für destruktive Propaganda zur Verfügung zu stellen." postuliert der Center Dekan Rabbi Abraham Cooper in diesem Brief.

Wird der "First Amendment" ausgeschaltet?

Doch diese Vorgehensweise wurde als Zensurmaßnahme und indirekte Ausschaltung der "First Amendment" im Internet kritisiert, wobei der Verfassungsexperte und Rechtsanwalt William Bennett Turner dieser Ansicht widerspricht: "Korrekt interpretiert, verbietet das First Amendment nicht alle Beschränkungen der Meinungsäußerung. Es verbietet private Restriktionen gar nicht. Unsere Verfassung besitzt eine Reihe von Beschränkungen für die Regierung, aber nicht für Individuen oder gar mächtigen Firmen." So können sich Provider ohne eine staatliche Zensurmaßnahme verwehren, Nazi - Webseiten auf ihren Servern anzubieten. Der vom Simon-Wiesenthal-Center und anderen Organisationen entfachte öffentliche Druck auf Provider führte dazu, daß der Speicherplatz diverser Nazi-Webseiten auf Provider-Servern gelöscht wurde.

Resümee ohne die nicht versprochene Lösung

So vielversprechend und sympathisch die Simon-Wiesenthal Cen ter Aktion im Vergleich zu den anderen Ansätzen auch ist, so ist die Wirksamkeit doch durch die Technologie begrenzt. Da es tausende Internet - Provider in Nordamerika gibt, wird es immer einige Provider geben, die ihnen Speicherplatz vermieten. Zudem zielen die Web-Nazis darauf ab, eine Infrastruktur unabhängig von den Providern zu entwickeln, d.h. eigene Server und Standleitungen, so daß der öffentliche Druck wie Boykott, etc. wirkungslos verpuffen wird. Das Mailbomben von Nazi- Accounts, das auch einen Server niederzwingt, kann mittlerweile durch Softwarelösungen von der attackierten Server-Seite abgefangen werden.

Langfristige Ergebnisse können nur erreicht werden, wenn die Einsicht d´accord wird, daß man Nazis, ob off- oder online, keine Plattform für ihre menschenverachtende Propaganda zur Verfügung stellt. Wie dies effektiv erreicht werden kann, muß sich zeigen. Ideen?

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Joerg Koch

Der Autor trägt eine Kappe mit einer eingestickten roten Faust und mag Nazis nicht.

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Layout: Birgit Pauli-Haack 1997