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der artikel
die gegenwehr?
das interview
update 1.1
6. Februar 1997
Der Artikel erschient erstmals im wildpark - Magazin im Frühjahr 1996.
(eingestellt im Sommer 1997)


... free speech for nazis?



"Wir sind dabei, einen fundamentalen Glaubenssatz Amerikas aufzugeben: Du kannst Deine eigenen Rechte nicht schützen, wenn Du nicht auch die Rechte derjenigen schützt, die Du verabscheust oder sogar fürchtest", so ein Redakteur der netzkundigen Silicon Valley Tageszeitung "San Jose Mercury News" anläßlich der stets aktuellen Debatte über Redefreiheit und Zensur im Internet. Die überwältigende Mehrheit der Internetbenutzer, wie auch der Zeitungsredakteur, bezieht im digitalen 21. Jahrhundert eine Position, die sich an den berühmten Brief Voltaires an M. le Riche anlehnt, "I detest what you write, but I would give my life to make it possible for you to continue to write." Aber sollen den auch Neo - Nazis und Holocaust Revisionisten mit einem Verweis auf die freie Meinungsäußerung ungestört das Internet für ihre menschenverachtende Agitation benutzen dürfen ?

Links zum Thema:
Simon-Wiesenthal-Center
Hate on the Net
Hate Page of the week

Daten - Nazis

Die von den Medien oft als stumpfsinnige Schläger verharmlosten Neo - Nazis haben immer wieder neue Medien für ihre Agitation eingesetzt. Während zu den C-64 Zeiten das Spiel "KZ- Manager" seine Runden auf den deutschen Pausenhöfen und in den Zeitungsredaktionen drehte, benutzen die Nazis der 90er das Internet als das Medium für ihre Propaganda. Euphorisch bejubeln sie die neue Technologie. Tom Metzger: "An einem Tag steht man mit einem Megaphon an der Ecke, am nächsten Tag besitzt man eine Million Watt Radiosender mit einer unglaublichen Reichweite." Kein Wunder, daß mehr als 70 verschiedene amerikanische rechtsextreme Gruppierungen und Parteien im Internet präsent sind und ihren Aktivitäten höchste Priorität einräumen.

Propaganda - Pusher

In ihren Strategiepapieren weisen sie daraufhin, wie man Diskussionen in News Groups dominieren kann, um neue Mitglieder zu rekrutieren. Unpolitische News Groups, wie z.B. alt.fan.barry-manilow sollen aufgewirbelt werden: "Schreibt eine Nachricht mit dem Titel 'Kill all niggers', und ihr werdet sehen, wie die Liberalen die Diskussion über Monate für euch am Laufen halten", so ein anonymer User. Die National Alliance veranstaltet ab und an Hi-Tech Drive-Bys wie in Texas, wo sie das E- Mail Account eines Professors gehackt hatten und knapp 20.000 User mit rassistischen und anti-semitischen E-Mails attackierten.

Mailing Listen und Internet Relay Chats (IRC) dienen der internen Kommunikation, während das World Wide Web mit seinen Multimedia-Fähigkeiten ideal für Propaganda ist. Dort veröffentlichen sie Listen mit Adressen von Antifaschisten und unterrichten on-line über den Bau der richtigen Bombe für den jeweiligen E insatzbereich. Jede Facette rechtsextremer Aktivitäten wird im WWW abgedeckt. Das Nazi-Plattenlabel Resistance Records ist mit Audio-Files und Informationen über ihre Veröffentlichungen ebenso vertreten wie die Christian Identity Kirche, die die Todesstrafe für Homosexuelle fordert.

Vernetzung überalles

Bedingt durch die weltweite Vernetzung können deutsche Neo - Nazis hier verbotene Literatur und Symbole downloaden und für ihre Pamphlete verwenden. Der notorische Holocaust Leugner Ernst Zündel aus Kanada bietet seinen deutschen "Volksgenossen" eine deutsche Sektion in seinen Webseiten an, und die "Stormfront White Nationalist Resource Page" von Don Black, ansäßig in Florida, bietet nicht nur deutsche Übersetzungen an, sondern arbeitet auch an einer Vernetzung mit der rechtsextremen deutschen Mailbox "Thule-Netz". Das kalifornische Institute for Historical Review, das führende Institut für Holocaust Revisionismus in Nordamerika, publiziert auf seinen Webseiten die neuesten pseudo - wissenschaftlichen Texte, die wiederholt Altes besagen: daß der Holocaust nur eine Erfindung des Weltzionismus sei.

Nichtsdestotrotz erntet man nur verständnislose Blicke bei liberalen Netz-Usern, wenn man dafür plädiert, Nazis jegliche öffentliche Plattform zu verwehren. Man stimme zwar mit ihnen nicht überein, aber sie haben einen "point of view" und den sollen sie vertreten können. Eben nicht. Aber wieso?

Gewalt gegen Minderheiten

Überall, wo Faschisten ihre Politik öffentlich vertreten und organisieren können, schnellt die Gewalt gegen Minderheiten hoch. So haben mehrere empirische Unteruchungen gezeigt, daß z.B. der Wahlsieg der faschistischen British National Party bei einer Stadtteilwahl, Isle of Dogs/ East London im Jahre '93 zu einem verstärkten Anstieg von Gewalttaten gegen Schwarze und andere Minderheiten führte. Der Rassenhaß, den die BNP predigt, fand sein Niederklang in Gewalttaten. Es gibt eine Verbindung zwischen Wort und Tat. Und es gibt eine Verbindung zwischen virtueller und realer Welt.



Das zentrale Ziel

Zweitens ist das zentrale Ziel vom Faschismus die Zerstörung der Demokratie. Nach der Machtübernahme Hitlers '33 feierten die Nazis die Abschaffung aller demokratischen Freiheiten, doch davor versicherten sie treuselig immer wieder, daß sie die Freiheiten Andersdenkender nicht beschneiden würden. In kleinen Zirkeln und in ausgewählten Parteiveranstaltungen wurde zwar gegen die "kommunistische Doktrin der Demokratie" agitiert, doch in der Öffentlichkeit und zu Wahlzeiten versprachen sie, gemäß der Verfassung zu handeln und das Presserecht und die freie Meinungsäußerung zu wahren. Die Resultate sind allseits bekannt. Die Strategie von Faschisten, damals wie heute, ist es die Errungenschaften der Demokratie zu benutzen, um Glaubwürdigkeit beim Wahlvolk zu erlangen und ihre Macht zu fundieren, um dann ihr Ziel zu vollenden: die Zerstörung der Demokratie mitsamt ihrer Freiheiten.

Auch heute fressen die Wölfe Kreide

Auch heute fressen die Wölfe Kreide. Tom Metzger, eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene Amerikas seit über 30 Jahren und mit seiner Organisation White Aryan Resistance im Internet vertreten, gibt sich als bedingungsloser Verfechter des free speech in einem Time Online Special zu "Free Speech on the Internet". "Das Internet bietet absolute Redensfreiheit, und es sollte so bleiben ...if we're gonna have free speech, it's gotta be for everybody." Der Verfechter von so hehren demokratischen Idealen läßt sich mit einer Ak 47 in der Wüste ablichten, wo er rassistischen Skinheads Instruktionen in Waffenkunde erteilt. Diese Instruktionen wurden auch in die Praxis umgesetzt, denn Metzger wurde wegen Anstiftung von Nazi Skinheads zum Mord an den äthiopischen Immigrant Mulugeta Seraw in Portland zu einer Geldstrafe von 12,5 Millionen Dollar verurteilt. Don Black, der auf der "Stormfront" Site die Fahne der Meinungsfreiheit wehen läßt, saß drei Jahre im Gefängnis, weil er mit Ku-Klux-Klansmitgliedern versuchte, per Invasion der Island of Domenica eine arische Republik zu gründen. Eine rhetorische Frage: Wenn solche Menschen die Macht übernehmen, wird das Recht auf freie Meinungsäußerung auch noch für uns Bestand haben?

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Joerg Koch

Der Autor trägt eine Kappe mit einer eingestickten roten Faust und mag Nazis nicht.

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